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Die Kunst der Kostümbildnerei

Die Magie eines Theaterstückes bezieht einen großen Teil ihrer Wirkung aus den kunstvoll angefertigten Kostümen. „Gemeinsam mit dem Bühnenbild und dem Schauspiel wird eine einzigartige Atmosphäre geschaffen, die das Theaterstück in eine Dreidimensionalität transformiert und das Publikum auf die Reise mitnimmt“, beschreibt die Kostümbildnerin Aleksandra Kica.

Eine Theaterproduktion wird gemeinsam von Regie, Szenenbild und der Kostümbildnerei erarbeitet. Dabei achten die Kostümbildner darauf, dass die Kostüme zu den Charakteren, dem Bühnenbild und der Stimmung der jeweiligen Produktion passen. Die Kalkulation von Herstellungs- und Materialkosten, die Leitung der Kostümabteilung sowie die Überwachung des Nähprozesses gehören ebenfalls zu den Aufgaben dieses Berufsbilds. Aleksandra betont außerdem, wie wichtig das Feingefühl in der Zusammenarbeit mit den Schauspielerinnen und Schauspielern sowie den anderen Beteiligten ist, die sich mit ihren Visionen, aber auch Ängsten und Sorgen an sie wenden. Denn eine gute Zusammenarbeit hinter der Bühne wirkt sich auch auf die Wirkung des Stücks nach außen aus.

Aleksandra Kica: Die Anfänge

Aleksandra fing bereits früh an, sich durch Veränderungen ihres Äußeren auszudrücken – sei es mit bunten Haaren, aufgemalten Tattoos oder blauen Augenbrauen. Ihr Vater war Theaterregisseur, weshalb sie einen großen Teil ihrer Kindheit im Zuschauerraum verbrachte und die besondere und exotische Atmosphäre des Theaters in sich aufsog. Diese Erfahrungen beeinflussten schlussendlich auch ihre Berufswahl.

Aleksandra entschied sich für ein Studium im Modedesign, ihre Passion galt jedoch stets dem Theater und der Arbeit hinter den Kulissen und nicht der Mode. Sie übernahm jahrelang Aushilfsjobs am Theater und arbeitete unentgeltlich als Assistentin, um praktische Erfahrungen zu sammeln. Mittlerweile hat sie an über 50 Produktionen erfolgreich mitgewirkt und konzentriert sich inzwischen auf Musicals.

Der kreative Prozess

Bevor das erste Kostüm tatsächlich angefertigt wird, ist es ein langer Weg. Zunächst liest Aleksandra das Stück mehrmals – manchmal ploppen schon direkt beim Lesen Ideen und Bilder bei ihr auf, manchmal dauert es länger. Danach geht sie in den Austausch mit der Regie, um eine gemeinsame kreative Vision für das Stück zu entwickeln. Im nächsten Schritt fertigt sie Moodboards an, auf denen sie keine Kostüme darstellt, sondern mit denen sie die Atmosphäre und Farbpalette der Inszenierung einfangen möchte.

“Gemeinsam mit dem Bühnenbild und dem Schauspiel wird eine einzigartige Atmosphäre geschaffen, die das Theaterstück in eine Dreidimensionalität transformiert und das Publikum auf die Reise mitnimmt.”

Im weiteren Verlauf hält sie sich strikt an die festgelegten Farbtöne. Durch den Aufbau einer farblich abgestimmten Szenerie können selbst die einfachsten Kostüme eine poetische Wirkung erzielen, sagt Aleksandra. Anschließend geht es in die Konzeption der Kostüme – dafür fertigt Aleksandra Zeichnungen an und nutzt Fotografien ausgewählter Stücke aus dem Fundus des Theaters.

Der Arbeitsalltag

Für das Anfertigen der Kostüme, ist eine enge Zusammenarbeit mit der Schneiderei essenziell. Gegen 9 Uhr morgens beginnt Aleksandra dort ihren Arbeitstag, um die Anproben mit den Darstellern und Darstellerinnen durchzuführen. Anschließend bekommt sie eine Liste mit verschiedenen Anliegen und Fragen der SchneiderInnen, die sie dann bei einem Gang durch die einzelnen Abteilungen abarbeitet. Wenn sie das Gefühl hat, dass ihre Vision verstanden wurde und umgesetzt werden kann, lässt sie bei der weiteren Ausgestaltung viele Freiheiten. Gelegentlich kann es aber auch um Details gehen, wie die Entscheidung für oder gegen einen einzelnen Knopf. Am späten Nachmittag bereitet sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen die Kostüme für die Anproben am kommenden Tag vor. Um 18 Uhr beginnt die Abendprobe. Aleksandra setzt sich dann oft in den Zuschauerraum und lässt sich inspirieren – die besten Ideen habe sie bei den Proben. Häufig wird sie auch selbst aktiv, um die Regie zu unterstützen und die Darstellerinnen und Darsteller besser kennenzulernen. Anschließend bleibt sie häufig noch im Atelier, gibt Bestellungen auf, zeichnet und näht oder hat weitere Absprachen mit der Regie.

Außergewöhnliche Kostüme

Vor einigen Jahren wurde Aleksandra immer wieder für Stücke angefragt, die im Stil der 30er und 40er Jahre inszeniert werden sollten. Dafür ist sie durch Second Hand Läden gezogen, um Originale aus der Zeit zu finden und für die Kostüme zu verwenden. Authentizität ist ihr wichtig und kann aus ihrer Sicht durch Patinieren nicht gleichwertig erreicht werden. Mittlerweile begeistert sie sich aber eher für die 60er und 70er Jahre. Im Kontrast zu früheren Jahren besteht in dieser Zeit größere Freiheit und ein gewisser Mut zur „Unästhetik“, findet Aleksandra. Ein Detail, auf das sie nie verzichtet, sind Schulterpolster, da diese der Silhouette eine schöne Linie verleihen.

Das aufwendigste Stück ihrer Karriere war ein Mantel für eine Inszenierung von „The Kings Speech“. Nächtelang nähte sie gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen große Mengen an Stoffbahnen für die erste Szene des Stückes zusammen, in der der König angekleidet wird. Am Ende war der Mantel 45 qm groß und wurde, bei dramatischer Musik, mithilfe einer Zugstange von oberhalb der Bühne heruntergefahren und dem König umgelegt. Doch so pompös manche Kostüme auch sein mögen, für Aleksandra ist das Wichtigste, dass sie die kreative Vision untermalen und dem Stück dienen. Nur so kann man eine stimmige Atmosphäre schaffen und die ZuschauerInnen verzaubern.

Bildnachweise (von links nach rechts)
Bild 1: © Sebastian Kreuzberger
Bild 2: © Leonie Walter
Bild 3: © Volker Schmidt
Bild 4: © Aleksandra Kica
Bild 5: © Sebastian Kreuzberger
Bild 6: © Olaf Malzahn
Bild 8: © Alek Sorokin